đŸ”„Helikopter Money und kapitalistische Planwirtschaft:đŸ”„

13. April 2020 0 Von DieVolleWahrheit

11.04.2020 09:54

Die EU jongliert bei der BewÀltigung der Corona-Krise mit Hunderten Milliarden Euro. Dabei verhÀlt sie sich allerdings nicht wie eine Organisation, die aus Staaten besteht, in denen die Marktwirtschaft praktiziert wird. Stattdessen wendet sie Prinzipien an, die aus Staatswirtschaften bekannt sind, schreibt DWN-Kolumnist Ronald Barazon.

RONALD BARAZON

Corona: Die Milliarden-Feuerwehr EU ist fast so gefÀhrlich wie das Virus selbst

Das Euro-Logo ist auf das EZB-Hochhaus in Frankfurt projiziert. (Foto: dpa)

Ein ganz banales wirtschaftliches Prinzip erweist sich fĂŒr Europas Politiker als zu komplex, sie verstehen es einfach nicht – oder wollen es nicht verstehen. Was braucht ein Unternehmen, das vier oder sechs Wochen keinen Cent einnehmen konnte, weil es geschlossen hatte? Geld, sehr viel Geld, und das rasch und unbĂŒrokratisch. Und wo kann dieses Unternehmen rasch und unbĂŒrokratisch Geld bekommen? Bei der Bank – sollte man jedenfalls meinen. Doch leider ist dem nicht so: Durch eine Flut unsinniger EU-Vorschriften wurde das gut funktionierende europĂ€ische Bankwesen ruiniert. Die Folge: Viele Filialen gibt es nicht mehr. Und somit auch die Berater nicht. Die verbleibenden Mitarbeiter sind aufgrund der EU-Vorschriften gezwungen, einen unertrĂ€glichen Verwaltungsaufwand zu betreiben und möglichst keinen Kredit zu geben, um ja kein Risiko einzugehen. In der aktuellen Situation eine Katastrophe.

Die Politiker jonglieren mit Milliarden-BetrÀgen an Förderungen

Jetzt, da die Corona-Krise endlich abflaut, stellt sich die Frage: Wie soll es weitergehen? Und die Politik, die die BeschĂ€digung des funktionierenden Kreditwesens zu verantworten hat, liefert absurde Antworten. In den vergangenen Tagen wurde in jedem einzelnen Mitgliedstaat und zuletzt auch auf EU-Ebene die Verteilung aberhunderter Milliarden an Arbeitnehmer und Betriebe angekĂŒndigt. Die Kette der Pressekonferenzen, Tweets und Talk-Shows verdient den Titel „Wir drehen das Milliarden-Rad“. Das Publikum war zunĂ€chst fasziniert, dann aber doch nicht so beeindruckt, wie es sich die Akteure erhofft hatten. Bei nĂ€herer Betrachtung erweist sich die Milliarden-Flut als Feuerwehr-Aktion mit betrĂ€chtlichen Lösch-SchĂ€den.

Die Firmen werden in die Schuldenfalle getrieben: Echte Hilfen gibt es kaum

Alle Aktionen haben mehrere Charakteristika gemeinsam:

  • In erster Linie will man Kredite vergeben. „Man“ sind staatliche Stellen, die entweder selbst verleihen oder die Mittelvergabe ĂŒber Banken abwickeln. Somit sind „rasch“ und „unkompliziert“ von vornherein ausgeschlossen.
  • Ebenfalls stark betont wird die Übernahme von Haftungen fĂŒr Kredite durch den Staat. Klingt gut – aber ein Unternehmen, das einen Kredit benötigt, muss sich die staatliche BĂŒrgschaft erst im Antragsweg regelrecht „erobern“.
  • Außerdem soll es ZuschĂŒsse geben, die man behalten darf. Diese wĂ€ren eine tatsĂ€chliche Hilfe, wogegen die Kredite zurĂŒckzuzahlen sind und somit die ohnehin schwierige Zukunft zusĂ€tzlich belasten. Aber wer schon einmal einen Zuschuss von einer staatlichen Stelle erobern wollte, weiß, wie so ein HĂŒrdenlauf aussieht.
  • Die effektiven Fördermittel – im Fachjargon „verlorene ZuschĂŒsse“ – halten sich in bescheidenen Grenzen. Überall werden Fonds aufgelegt, die da und dort einige tausend EURO verteilen. TatsĂ€chlich wirksam dĂŒrften nur die Kurzarbeits-Regelungen sein. Die Übernahme der Lohnkosten in der Lock-Down-Phase sollte eigentlich die wichtigste, die entscheidende Hilfe sein, um den Neustart zu erleichtern. Nur werden meist nur Teile – in Deutschland 60 Prozent – ersetzt, wobei die Zuteilung oft zu lange dauert.

An den rigorosen Regeln bei der Vergabe von Krediten Àndert sich nichts: Es bleibt nur der Weg zum Staat

Also wendet sich der von einem mehrwöchigen Umsatzausfall geplagte Unternehmer doch an eine Bank. Dort trifft er oder sie auf einen hoffentlich hilfsbereiten Berater, der sich aber an die Regeln der Bankenaufsicht halten muss. Die deutsche BaFin hat im Gleichklang mit allen europÀischen Aufsehern folgende Richtlinien ausgegeben:

  • „Das Bank-Institut muss im Rahmen einer bankinternen Bewertung zu dem Schluss kommen, dass das Unternehmen (nach der Krise) ĂŒberlebensfĂ€hig ist (wieder Kapitaldienst erwirtschaften wird beziehungsweise ohne Corona-Krise kein Sanierungsfall geworden wĂ€re).“ Bankmitarbeiter sind bekanntlich keine Hellseher; eine derartige Bewertung kommt daher dem Kaffeesatz-Lesen gleich. Wenn allerdings ein doch vergebener Kredit ausfĂ€llt, hat der zustĂ€ndige Berater, die zustĂ€ndige Beraterin ein beachtliches Problem und muss sich wegen Sorglosigkeit verantworten. Solange sich an dieser Regel nichts Ă€ndert, bleiben die Kreditinstitute (aus Angst gelĂ€hmt).
  • Und so halten sich die Berater eher an die zweite Empfehlung der BaFin: Dass das Unternehmen ĂŒberlebensfĂ€hig ist, „kann automatisch fĂŒr alle Kreditnehmer angenommen werden, die Fördermittel aus dem geplanten Hilfsprogramm der KfW oder gegebenenfalls aus Hilfsprogrammen der LĂ€nder und Kommunen erhalten.“KfW oder genauer „Kreditanstalt fĂŒr Wiederaufbau“ ist die deutsche staatliche Förderbank, das heißt, das kreditsuchende Unternehmen landet also wieder beim Staat. Dieser hat bisher nur 80 bis 90 Prozent der möglichen AusfĂ€lle abgesichert, sodass die Banken ein Restrisiko haben, das sie auch aufgrund der strengen Risiko-Bedingungen nicht leicht ĂŒbernehmen können. In Zukunft wird der deutsche Staat voraussichtlich 100 Prozent abdecken.
  • Seit Tagen landen bereits tausende AntrĂ€ge bei der KfW, es werden nun zehntausende werden, aber es ist illusorisch zu glauben, dass jetzt tatsĂ€chlich jeder mittelstĂ€ndische Betrieb in Deutschland zu Geld kommen wird. Es handelt sich nĂ€mlich um 2,5 Millionen Firmen.
  • Es lohnt sich aber, den Wettlauf zu riskieren: Den kleinen winken Kredite oder Haftungen bis zu 500.000, den grĂ¶ĂŸeren bis zu 800.000 Euro, die Zinsen sollen 3 Prozent per annum betragen, Laufzeiten bis zu zehn Jahren sind angepeilt.

Bei nÀherer Betrachtung werden aus den Milliarden BagatellbetrÀge

Die Finanzminister der EU-Mitgliedstaaten diskutierten diese Woche eifrig, wie man denn auf europĂ€ischer Ebene der Wirtschaft helfen könnte. Eine Reform der Banken-Regelwerke stand nicht zur Debatte. Es ging um ein so genanntes „500-Milliarden-Paket“. In der Nacht auf Mittwoch arbeiteten sie sogar heldenhaft durch – um am Morgen zu verkĂŒnden, dass sie sich nicht geeinigt hĂ€tten. Donnerstagabend wurde dann eine Einigung erreicht, die darin bestand, dass man die strittigen Themen einfach ausklammerte.

Einig war man sich allerdings in einigen Bereichen, die fĂŒr die Unternehmen von Interesse sind.

  • Stolz verkĂŒndet wurde, dass die Bank der EU-Kommission, die EuropĂ€ische Investitionsbank EIB, ein zusĂ€tzliches Finanzierungsprogramm von 200 Milliarden Euro fĂŒr die mittelstĂ€ndische Wirtschaft auflegen und ĂŒber die Banken verteilen wird. Die Minister waren selbst sichtlich beeindruckt von der Summe.
  • Leider hatten sie ĂŒbersehen, dass die EU 22 Millionen Klein- und Mittelbetriebe zĂ€hlt, dass also fĂŒr jeden einzelnen gerade mal 9.000 Euro zur VerfĂŒgung stehen. Das ist der Rahmen, den beinahe jeder Konto-Inhaber in Europa derzeit von seiner Bank bekommt.
  • Auch eine andere Rechnung ist nicht sehr ĂŒberzeugend: Von den 22 Millionen Unternehmen beschĂ€ftigen zwei Millionen zwischen zehn und 250 Mitarbeiter. Wollte man nur diese mit den Mitteln der EIB bedienen, so kommen auf eine Firma im Schnitt 100.000 EURO, womit die meisten Betriebe nicht einmal die Löhne, GehĂ€lter und Abgaben fĂŒr einen einzigen Monat zahlen könnten.
  • Man kann aber als deutscher Unternehmer ĂŒber die Bank kĂŒnftig einen Kreditantrag an die KfW oder an die EIB senden. Bei der KfW ist man nur im Wettbewerb mit deutschen Kollegen, bei der EIB mit der gesamten EU.

Wieso denken EU-Politiker wie Vertreter einer staatlichen Planungswirtschaft?

Stört es tatsĂ€chlich niemanden in der EU – die den freien Markt in ihren GrundsĂ€tzen hat – dass in staatswirtschaftlichen Strukturen gedacht wird?

Offenbar nicht. Denn auch die zweite EU-Aktion, die die Finanzminister feierten, entspricht dem Geist einer staatlich gelenkten Wirtschaft. Betont wird eine neue Initiative der EU-Kommission, die unter dem Titel SURE (Support Mitigating Unemployment Risks in Emergency) – vorgesehen ist. Den Mitgliedstaaten sollen Darlehen in der Höhe von 100 Milliarden Euro zur VerfĂŒgung gestellt werden, um die Finanzierung von Kurzarbeit und Subventionen fĂŒr SelbststĂ€ndige zu erleichtern. Wieder kommt es zur Nennung einer Milliarden-Summe, die beeindrucken soll. Nur: In der EU gibt es 220 Millionen ErwerbstĂ€tige. Wenn nur zehn Prozent – und es werden mehr sein – jetzt Hilfe benötigen, dann kommen aus den 100 Milliarden auf den Einzelnen 450 EURO, die durch einen komplizierten und teuren Verwaltungsapparat von der EU ĂŒber die einzelnen Staaten ausgegossen werden.

Die Notenpresse rattert. Das ist in der Krise zu rechtfertigen. Doch wohin fließt das Geld?

Im Mittelpunkt der Krisen-BewĂ€ltigung stehen die Staaten, die alle angekĂŒndigten Wohltaten ĂŒber die Aufnahme zusĂ€tzlicher Schulden finanzieren mĂŒssen. Deutschland bildet in bestimmten Umfang eine Ausnahme, da der Staat ĂŒber Reserven verfĂŒgt. Alle anderen sind auf die Gunst des Kapitalmarkts angewiesen. Angesichts der schon bestehenden Staatsschulden, die nun um hunderte Milliarden zunehmen werden, dĂŒrfte das Kaufinteresse privater Anleger gering sein, auch wenn endlich wieder Zinsen gezahlt werden sollten.

Somit rĂŒckt die EuropĂ€ische Zentralbank in den Fokus, und diese hat bereits vor einiger Zeit angekĂŒndigt, dass sie zusĂ€tzlich 750 Milliarden Euro an Anleihen ĂŒbernehmen wird. Auch die schon bei der Zentralbank liegenden etwa 2.000 Milliarden sollen nicht getilgt, sondern im Falle von AblĂ€ufen durch neue ersetzt werden. Man lĂ€sst also die Notenpresse weiter heiß laufen, das Bild sei erlaubt, auch wenn es keine physischen Banknoten, sondern nur Computerzeilen sind.

Sollten die privaten und institutionellen Anleger die 200 Milliarden fĂŒr die EIB und die 100 Milliarden fĂŒr den SURE der EU-Kommission nicht ĂŒber AnleihekĂ€ufe refinanzieren wollen – keine Sorge, die Zentralbank kauft alles.

In der besagten anstrengenden Nach haben die EU-Finanzminister auch registriert, dass der ESM ĂŒber eine freie FinanzierungskapazitĂ€t von ĂŒber 400 Milliarden Euro verfĂŒgt. ESM steht fĂŒr „EuropĂ€ischer StabilitĂ€tsmechanismus“, der nach der Finanzkrise 2018 gegrĂŒndet wurde und finanzmaroden Staaten helfen soll. 200 Milliarden sollen jetzt an die Staaten gehen. Und auch der ESM begibt Anleihen.

Eine SkurrilitĂ€t am Rande: FĂŒr die EU-Kommission, die EIB und den ESM haften die Mitgliedstaaten der EU, es sind also gemeinschaftliche Anleihen. Ohne Ergebnis gestritten wurde diese Woche ĂŒber die gemeinsame Begebung von EURO-Bonds oder Corona-Bonds durch die EU-Staaten, als ob es so etwas noch nicht gĂ€be und auch nicht geben dĂŒrfe.

Wie viele Milliarden in welcher Form wohin fließen werden, ist vorerst nicht klar. Jede Regierung in Europa hat in den vergangenen Tagen Milliarden-Hilfen in Aussicht gestellt. Die Spitzenleistung lieferte das italienische Kabinett, das gleich die Verteilung von 400 Milliarden Euro ankĂŒndigte. Das sind mehr als 20 Prozent der jĂ€hrlichen Wirtschaftsleistung Italiens. Dass die Beschaffung dieser Gelder fĂŒr das wirtschaftlich schwache Land nicht einfach sein wird, ist offenkundig. Und so kĂ€mpft Italien besonders eifrig um gemeinsame EU-Anleihen, da das Land allein den angekĂŒndigten Riesenbetrag kaum auftreiben kann.

Wie meist wĂ€re die Lösung einfach, aber offenbar zu einfach fĂŒr die krausen Wege, in denen die Wirtschaftspolitiker denken

Klartext: Die Unternehmen brauchen jetzt Hilfe. Der Staat hat die Schließung der GeschĂ€fte verfĂŒgt, also mĂŒsste der Staat den Schaden ersetzen, wie dies seit langem in den Epidemie-Gesetzen verankert ist. Der Ausfall wird geschĂ€tzt etwa sieben Prozent der Jahreswirtschaftsleistung entsprechen, das sind in der gesamten etwa EU 980 Milliarden Euro, davon im Euro-Raum 840 Milliarden Euro. Diese BetrĂ€ge wĂ€ren von der EuropĂ€ischen Zentralbank und den Zentralbanken der Nicht-Euro-LĂ€nder bereitzustellen. Das ist eine begrĂŒndbare Geldschöpfung. Die Mittel sind in Form von Krediten an die Staaten zu vergeben, die diese den betroffenen Unternehmen als nicht rĂŒckzahlbare Förderungen auszuzahlen hĂ€tten. Die Staatsschulden in der gesamten EU wĂŒrden von etwa 12.000 auf 13.000 Euro ansteigen – eine Steigerung von 8,5 Prozent.

Diese zusĂ€tzliche Verschuldung wĂŒrde die BonitĂ€t der EU-Staaten nicht wesentlich verĂ€ndern. Sie wĂ€re aber im Interesse einer raschen Erholung der europĂ€ischen Wirtschaft. Mit den geplanten komplizierten Milliarden-Aktionen werden die Staatsschulden auch nicht weniger steigen, aber nur bescheidene Effekte erzielen, weil die Aktionen ĂŒber schwerfĂ€llige Systeme die betroffenen Betriebe entweder gar nicht erst erreichen oder sie in Kreditverpflichtungen stĂŒrzen, die ihren Aufschwung nach der Krise behindern.

Aber auch dafĂŒr haben die Finanzminister eine staatswirtschaftliche Lösung parat – sie wollen einen neuen EU-Fonds schaffen, einen â€žRecovery Fund“. Als ob die europĂ€ischen Unternehmer unmĂŒndig wĂ€ren und nicht aus eigener StĂ€rke heraus wieder in die Erfolgsspur zurĂŒckfinden könnten. NatĂŒrlich wĂ€ren sie dazu in der Lage – allerdings nur, wenn man ihre GeschĂ€fte nicht fĂŒr Wochen und Monate sperren und ihnen anschließen mit absurden Regulierungen den Zugang zu Finanzierungen verwehren wĂŒrde, wie es die Politik und die Finanz-Genies der EU gerade tun.

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift â€žDer Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/503436/Corona-Die-Milliarden-Feuerwehr-EU-ist-fast-so-gefaehrlich-wie-das-Virus-selbst