đŸ”„Breites Sammeln von Daten bleibt verboten đŸ”„

20. September 2022 Aus Von DieVolleWahrheit

Kampf gegen KriminalitÀt : September 2022, 10:22 Uhr

Kampf gegen KriminalitÀt: In mehreren Urteilen hat der EuropÀische Gerichtshof festgehalten, unter welchen Bedingungen es zulÀssig ist, Verbindungsdaten zu speichern.

Der EuropĂ€ische Gerichtshof verwirft die deutschen Regeln zur Vorratsdatenspeicherung. Seit fĂŒnf Jahren liegen diese auf Eis. Nun steht die Koalition in Berlin vor einer neuen Debatte, wie es weitergeht – auch weil die Richter eine Speicherung in mehreren FĂ€llen erlauben.

Neue Runde in einer seit Jahren wĂ€hrenden Debatte: Deutschland muss seine Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung Ă€ndern. Das hat am Dienstag der EuropĂ€ische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Eine “allgemeine und unterschiedslose” Speicherung sei unzulĂ€ssig, eine gezielte aber möglich bei schweren Verbrechen und “unter strikter Beachtung des Grundsatzes der VerhĂ€ltnismĂ€ĂŸigkeit”. Die deutschen Regelungen liegen seit fĂŒnf Jahren auf Eis. Über die Frage, was nun aus dem Urteil folgt, dĂŒrfte sich in der Bundesregierung eine neue Auseinandersetzung anbahnen: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) plĂ€diert fĂŒr das umstrittene Instrument fĂŒr die Strafverfolgungsbehörden, die Koalitionspartner FDP und GrĂŒne lehnen es ab.

Vorratsdatenspeicherung bedeutet, dass Telekommunikationsfirmen Telefon- und Internetverbindungsdaten ihrer Kunden fĂŒr eine bestimmte Zeit sichern mĂŒssen, damit Ermittler bei Bedarf darauf zugreifen können. Über die Frage, bei welchen möglichen Straftaten das erlaubt ist und wie lange die Daten gespeichert werden mĂŒssen, wird in Deutschland seit Jahren gerungen. Viele Ermittler und Sicherheitspolitiker sehen darin ein unverzichtbares Instrument im Kampf gegen Terroristen oder organisierte KriminalitĂ€t, BĂŒrgerrechtler hingegen halten sie fĂŒr weitgehend unwirksam oder ĂŒberzogen, da sie alle Menschen unter Generalverdacht stelle.

Mit ihrem Urteil vom Dienstag bleiben die Richter am EuGH, die ĂŒber Ă€hnliche FĂ€lle in anderen LĂ€ndern bereits entschieden haben, bei ihrer bisherigen Linie: Ohne einen konkreten Anlass zu speichern, verstĂ¶ĂŸt gegen EU-Recht. Denn solche Daten ließen “sehr genaue SchlĂŒsse auf das Privatleben” zu.

In mehreren FĂ€llen lassen die Richter eine Datenspeicherung aber zu: Etwa wenn es um eine ernste “Bedrohung fĂŒr die nationale Sicherheit” geht, dĂŒrfe diese auch allgemein angeordnet werden. Und wenn es um schwere Verbrechen gehe, sei eine gezielte Speicherung zulĂ€ssig – also bezogen etwa auf konkrete Personen oder auf Orte bei Mobilfunkdaten. Auch das “allgemeine und unterschiedslose” Speichern von IP-Adressen angesurfter Seiten billigt der EuGH bei schweren Verbrechen – in einem “auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum”.

ZurĂŒckgehend auf eine Initiative der EU galt in Deutschland seit 2008 eine Vorratsdatenspeicherung. Firmen mussten damals sieben Monate lang festhalten, wer wann mit wem telefonierte, wer eine E-Mail schrieb oder eine Internetseite aufrief. Im Jahr 2010 verwarf das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz. 2015 wurde daraufhin eine neue Version mit kĂŒrzeren Speicherfristen beschlossen. Es folgten juristische Verfahren auf unterschiedlichen Ebenen – und als 2017 das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die Regelungen fĂŒr unwirksam erklĂ€rte, setzte sie der Bund faktisch aus. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Frage schließlich dem EuGH vor.

Nicht zuletzt um sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche besser bekĂ€mpfen zu können, will Innenministerin Faeser Strafverfolgungsbehörden durch eine Datenspeicherung ermöglichen, MissbrauchstĂ€ter im Netz identifizieren zu können. Ihr Argument: Sie zu bestrafen dĂŒrfe nicht durch Datenschutz verhindert werden.

In ihren Koalitionsvertrag haben SPD, GrĂŒne und FDP im vergangenen Jahr eine eher vage Kompromissformel geschrieben: Man werde “die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können”. Diesen Satz interpretierten die KoalitionĂ€re nun unterschiedlich. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) entgegnet Faeser, man habe sich darauf geeinigt, “die anlasslose Vorratsdatenspeicherung endgĂŒltig abzuschaffen”. Konstantin von Notz, Vize-Fraktionschef der GrĂŒnen, sagt, seine Partei sehe “weder rechtlichen noch politischen Spielraum fĂŒr eine Neuauflage”.

https://www.sueddeutsche.de/politik/eugh-vorratsdatenspeicherung-deutschland-urteil-1.5660210?referrer=push