Mutmaßlicher Vergewaltiger schlägt wieder zu: Fall Zubyr S. wird zum Justizskandal

7. August 2020 0 Von DieVolleWahrheit
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29.07.2020 | 21:02Nach Vergewaltigung Polizeibekannter Verdächtiger in U-HaftSymbolfoto: Nach Vergewaltigung: Polizeibekannter Verdächtiger in U-Haft

Er verkaufte Drogen und füllte einige Strafakten. Im Juni soll ein 23-jähriger Afghane über ein elfjähriges Mädchen hergefallen sein, nach kurzer U-Haft kam er wieder frei und schlug offenbar drei Wochen später erneut zu.

Börge Klepping muss sich am Mittwochmorgen einer Menge unangenehmer Fragen stellen. Der Sprecher der Dortmunder Staatsanwaltschaft soll die Umstände einer veritablen Justizpanne erklären, die selbst bei NRW-Regierungsstellen im fernen Düsseldorf für Kopfschütteln sorgt.

Ein 23-jähriger afghanischer Staatsangehöriger soll ein elfjähriges Mädchen schwer missbraucht haben. Nach kurzer Untersuchungshaft wurde Zubyr S. allerdings wieder freigelassen. Drei Wochen später soll der Mann dann am vergangenen Freitag eine 13-jährige Schülerin in der Dortmunder Nordstadt in einen Hausflur gelockt und vergewaltigt haben. Das Opfer hatte sich seinen Eltern anvertraut. 

Mann bereits wegen mehrfacher Betäubungsmitteldelikte polizeibekannt

Seine detaillierte Täterbeschreibung führte noch in der Nacht zu Samstag zur Festnahme des afghanischen Flüchtlings, der über einen vorläufigen Aufenthaltstitel verfügt. „Der Mann war bereits wegen mehrfacher Betäubungsmitteldelikte polizeibekannt“, erläutert Staatsanwalt Klepping gegenüber FOCUS Online.

Inzwischen war aus Justizkreisen zu erfahren, dass Zubyr S. neuerlich ins Blickfeld der Strafverfolger geraten war, weil er Drogen an Kinder abgegeben haben soll. Zudem soll der Dealer am 20. Juni über sein elfjähriges Opfer hergefallen sein. Zwei Tage später nahm die Kripo auf Grund der Hinweise des Kindes und seiner Angehörigen den Beschuldigten fest.

Die Staatsanwaltschaft erwirkte seinerzeit im Juni beim Amtsgericht einen Haftbefehl. Der Tatverdächtige musste ins Untersuchungsgefängnis. Zwölf Tage später fand auf Betreiben seines Anwalts ein Haftprüfungstermin statt. „Da der Beschuldigte über einen festen Wohnsitz verfügte“, so der Justizsprecher, seien sich der Richter, die Staatsanwaltschaft als auch der Verteidiger darüber einig gewesen, ihn wieder freizulassen. „Der Haftgrund der Fluchtgefahr war nicht mehr gegeben, bisher hat sich der Mann stets den Verfahren gestellt“, argumentiert Klepping.

Wiederholungsgefahr als weiterer Haftgrund sei hier nicht in Frage gekommen, da der 23-Jährige bislang nicht wegen Sexualdelikten in Erscheinung getreten sei, hieß es. Klepping zufolge sei es häufig eine Ermessensentscheidung, ob ein Tatverdächtiger in Untersuchungshaft bleibe oder freikomme.

Ermittler zweifelten an Vorwürfen

Dass es sich bei der Vergewaltigung eines Kindes um ein Kapitalverbrechen handelt, spielte bei der Entscheidungsfindung der Dortmunder Justiz keine Rolle. Denn nach FOCUS-Online-Recherchen hegte man bei jenem Haftprüfungstermin noch erhebliche Zweifel an den Vorwürfen der elfjährigen Schülerin. Somit kam ihr Peiniger wieder frei.  Am 24. Juli soll Zubyr S. nahe seinem Wohnort erneut zugeschlagen haben. Somit bestätigten sich im Nachgang auf tragische Weise die Angaben des ersten Opfers.

Die Geschehnisse wurden auf Geheiß der Dortmunder Staatsanwaltschaft bisher nicht über eine Pressemitteilung veröffentlicht, wie sonst bei Kapitaldelikten meist üblich. „Dies ist aus Opferschutzgründen geschehen“, betont Staatsanwalt Klepping. Das Schweigen habe nichts damit zu tun, dass man um eine Stigmatisierung des afghanischen Beschuldigten gefürchtet habe.

Justizpanne könnte zum Politikum werden

Die neuerliche Justizpanne im Bereich Kindesmissbrauch könnte sich zum Politikum in NRW auswachsen. Seit 2019 hat die Landesregierung den Kampf gegen Kinderschänder und Kinderpornozirkel im Netz massiv hochgefahren. Stets begleitet von markigen Worten bearbeiten inzwischen Hunderte Kripobeamte und die Cyber-Spezialeinheit der Staatsanwaltschaft Köln riesige Ermittlungskomplexe.

Nach Schlampereien durch die Staatsanwaltschaft Kleve bei Ermittlungen gegen einen Soldaten im Kreis Wesel, der sich zigfach an seiner dreijährigen Tochter, den kleinen Stiefsohn und seiner Nichte vergangen hatte , reagierte Landesjustizminister Peter Biesenbach (CDU) im November 2019 mit einem Schreiben an die Anklagebehörden.

Biesenbach: Wiederholungsgefahr besonders “in den Blick” nehmen

Darin mahnte der CDU-Politiker „mehr Sorgfalt“ bei der Verfolgung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche an. Biesenbach forderte die „Wiederholungsgefahr” als Grundlage für eine Untersuchungshaft „besonders in den Blick zu nehmen”. Dieses Schreiben scheint bei der Dortmunder Justiz in Vergessenheit geraten zu sein. Bei der Landesregierung wollte sich niemand am Mittwoch zu den Vorkommnissen äußern.